Samstag, 20. Dezember 2014

Wanderglueck im Cradle Mountain Nationalpark

Blick vom Cradle Valley Boardwalk zum Cradle Mountain
Eine Tasmanienreise ist ohne einen Besuch des Cradle Mountain Nationalparks unvollständig. Wer in den Park reist, sollte gut zu Fuß sein. Innerhalb des Parks besteht eine ca. 7 km lange Autoroute, die auch von einem kostenlos zu benutzenden Bus-Shuttle bedient wird. Die Route führt zu Knotenpunkten eines ausgedehnten Netzes an Wanderwegen unterschiedlicher Längen und Schwierigkeitsgrade.(1) Walks sind so konzipiert, dass mehrere Wege miteinander kombiniert werden können, so dass individuelle Routen entspechend Anforderung und Leistungsvermögen möglich sind. Der Bus-Shuttles erweitert den Bewegungsradius erheblich. Die vielfältigen Optionen des Wandernetzes mit seinen abwechslungsreichen, wunderschön angelegten Walks in faszinierender Landschaft erleben wir als ein phantastisches Hiker-Paradies. Ein absolutes Highlight des Parks ist neben dem Cradle Mountain der Overland Track, ein ähnlich legendärer Fernwanderweg wie der Otter Trail an der Gardenroute Südafrikas oder wie der neuseeländische Milford Track. Jeder ernsthafte australische Bushwalker muss diesen Track mindestens einmal gegangen sein. Mit schwerem Gepäck begegnen uns auf dem Overland Track jedoch vor allem Asiaten.(2) Diashow der Fotoserie

Hochmoor, Button Grass und Pandani am Lake Lilla Track
Für uns ist der Overland Track keine relevante Option. Wir gehen lediglich Abschnitte der ersten Etappe und lassen uns von der Magie einer Landschaft verzaubern, über die der Cradle Mountain (1545m) zu wachen scheint. Im Idealfall besuchen wir den Gipfel dieser Bergikone. Eine Gipfeltour benötigt gutes Wetter. Während der ersten Nacht im Cradle Mountain Hotel plätschert jedoch Regen, der sich auch am Morgen noch nicht vollständig zurückgezogen hat.(3) Wir müssen mit ‚Plan B’ vorlieb nehmen und sind trotzdem am Ende des Tages begeistert.








Startpunkt des Overland Tracks am Ronny Creek
Unsere Wanderung startet beim Ronny Creek Carpark, an dem auch der Overland Track beginnt. Wir folgen dem Overland Track nur kurz und verzweigen auf den Lake Lilla Track in Richtung Dove Lake. Ein mit einem Drahtgeflecht belegter Boardwalk führt durch eine unwirkliche Buttongrass-Moorlandschaft. Fast im Minutentakt wechseln leichte Schauer und Regenpausen. Bei Aufhellungen wird schnell die Kamera gezückt. Bis sie aufnahmebereit ist, naht schon der nächste Schauer. Längs des Ronny Creek wachsen zahlreiche Pandanis, die im Zwielicht des Schauerwetters Silhouetten von Personen ähneln. Bis auf ein weiteres Paar sind wir jedoch alleine auf dem Track unterwegs.






Little Horn und Cradle Mountain über dem Dove Lake
Nach 50 Minuten erreichen wir den Dove Lake Circuit, ein um den See führender Rundweg, der unter den 60 Great Short Walks Tasmaniens aufgeführt wird. Tatsächlich erweist sich der perfekt angelegte Weg als äußerst abwechselungsreich. Überwiegend auf Boardwalks streift die Route mehrfach den See und führt auf einem Abschnitt durch Regenwald. Regenschauer ziehen allmählich ab. Der Himmel reißt auf. Berggipfel werden sichtbar und sonniges Licht taucht die Landschaft in Farbe. Nach fast zweistündiger Wanderung ist der Rundweg am Dove Lake Carpark leider beendet.







Gustav Windorfers Waldheim (Rekonstruktion)
Bei inzwischen sonnigem Wetter stellt sich ‚Wanderglueck’ ein, das wir auskosten wollen. Der Bus-Shuttle bringt uns zurück zum Ausgangspunkt, in dessen Nähe wir uns Gustav Weindorfers Waldheim anschauen.(4) Der Enchanted Walk beim Pencil Pine Creek zählt ebenfalls zu den 60 Great Short Walks Tasmaniens, aber die 15 Minuten kurze Runde ist nach den vorausgegangen Highlights bestenfalls eine ‚Probepackung’. 









Cradle Valley Boardwalk
An der Ranger Station beginnt der 6,5 km lange Cradle Valley Boardwalk zum Ronny Creek Carpark, unser für heute letztes Wanderziel. Vor dem Walk schauen wir kurz in das Cradle Mountain Interpretation Center (eher ein Schlechtwetter-Programm) und besuchen die Pencil Creek Falls (nicht besonders aufregend). Im schönsten Sommerwetter führt uns der phantastisch angelegte Boardwalk in weiten Schwüngen durch das hügelige Profil des landschaftlich zauberhaften Cradle Valley und entfacht ein Feuerwerk faszinierender Eindrücke. Wir sind schon viele attraktive Wanderrouten gegangen, aber nur selten hat uns ein Trail derart begeistert. Warum ist diese großartige Route nicht unter den 60 Great Short Walks Tasmaniens zu finden? Ungefähr auf der Mitte des Weges liegt am Snake Hill eine Station des Bus-Shuttles. Obwohl die Beine allmählich schwerer werden, käme uns eine Abkürzung dieses Genuss-Weges wie ein Frevel vor. Nach 1,5 Stunden ‚Wanderglueck’ pur ist leider das Ende des Cradle Valley Boardwalk am Ronny Creek Carpark erreicht. Der Shuttle bringt uns zurück. Glücklicherweise reisen wir erst übermorgen weiter.

Anmerkungen

(1) In amerikanischen Nationalparks typische Scenic Drives, auf denen Viewpoints mit dem Auto abgefahren werden, sind in Tasmanien unüblich. Spezifische Parkerlebnisse müssen in Tasmanien zu Fuß erschlossen werden. In vielen Parks erleichtern eingerichtete Trails den Zugang zu besonderen Highlights.

(2) Der Overland Track führt über 65 - 80 km in 6 - 7 rauen Tagesetappen vom Ronny Creek zum Lake St. Clair. Der Track und die Natur verkraften nur eine kleine Teilnehmerzahl. Die Bedingungen sind streng reglementiert. Pro Tag sind maximal 38 Walker zugelassen. Wer den Track gehen möchte, muss sich langfristig anmelden, terminlich festlegen und zahlt eine Gebühr von $200 (Stand 12/2014). Wenn der Termin erreicht ist, wird gegangen, Wetter hin oder her.

(3) Regen ist das ‚Normalwetter’ dieses ikonographischen tasmanischen Nationalparks. Laut Lonely Planet besagen statistische Durchschnittswerte, dass an 7 von 10 Tagen Regen fällt, an 8 von 10 Tagen eine dichte Wolkendecke besteht und Schneefall ganzjährig an 54 Tagen auftritt. 2 Tage nach unserer Abreise fällt Schnee im Nationalpark.

(4) Ohne Gustav Weindorfers Vision wäre die Cradle Mountain-Region nicht zu einem  Nationalpark erklärt geworden. Weindorfer, ein österreichischer Immigrant, kam 1910 nach Tasmanien in das Cradle-Gebiet und baute dort 1912 eine Holzhütte, die er „Waldheim“ nannte. Er und seine australische Frau Kate fanden großen Gefallen an „Tasmania’s alpine heart“. Sie ermunterten Besucher, zu diesem abgelegenen Ort zu reisen, um die Landschaft und Natur mit ihnen zu teilen und zu genießen.
Kate starb 1916, und Gustav zog dauerhaft nach Waldheim und widmete sein Leben dem Schutz des Cradle-Mountain-Gebietes.  Er starb 1932. 50 Jahre später wurde Cradle Mountain zum Nationalpark erklärt.
Das ursprüngliche Waldheim-Cabin brannte 1974 durch ein Buschfeuer ab, wurde originalgetreu wiederaufgebaut und steht seitdem als Denkmal für die Weindorfers. Im Eingangsbereich ist Gustavs Inschrift zu lesen:
This is Waldheim
Where there is no time
And nothing matters

(nach: Lonely Planet „Tasmania“, 6. Ausgabe, 2011, S. 268)

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